Keine Frage, Elton John hat eine beeindruckende Karriere hingelegt: Geschätzte 350 bis 450 Millionen verkaufte Tonträger, unzählige Nummer-Eins-Hits, zwei Oscars… und live ist er sowieso eine Sensation. Und außerdem ist er wohl der einzige Künstler, der auf der Bühne mit Würde einen Bademantel tragen kann.Bei seinem Abschiedskonzert im Sommer 2023 in Stockholm sagte er: "Ich hatte die wundervollste Karriere". Dann verabschiedete er sich mit "Goodbye Yellow Brick Road" von der Bühne ...
Natürlich, wer "Rocketman", den Film über sein Leben, gesehen hat, weiß, dass Elton Johns Weg nicht immer nur großartig war. Sein Alkohol- und Drogenkonsum war zeitweise so alarmierend, dass es fast ein Wunder ist, dass der Mann überhaupt noch am Leben ist.
Anfang der 70er Jahre schafft Elton John mit seinem zweiten Album den Durchbruch. Zuerst landet er in Großbritannien mit "Your Song" seinen ersten Hit, bevor er mit "Rocket Man" auch international durchstartet.Seine Songs erobern regelmäßig die Charts; gleich sechs seiner Alben klettern in den USA auf Platz eins. Das Album "Goodbye Yellow Brick Road" hält sich dabei sowohl in Amerika als auch in England jeweils über 100 Wochen in den Charts.Der Mann ist nichts Geringeres als ein Superstar der 70er.
1976 feiert er gemeinsam mit der Sängerin Kiki Dee und "Don't Go Breaking My Heart" einen Dancefloor-Hit. Doch ansonsten rauscht die Disco-Welle weitestgehend an ihm vorbei. Erst 1979 versucht er sich an einem Discoalbum, aber da ist der Hype schon fast wieder vorbei. "Zu spät", urteilen viele Kritiker, "und auch nicht wirklich überzeugend".Das Album floppt und schafft es in der Bundesrepublik nicht einmal in die Top 100.
Anfang der 80s sorgen New Wave-Bands wie Duran Duran, OMD oder Depeche Mode für einen neuen Sound, der ganz anders klingt, wie der des Mannes mit seinem Piano. Elton John scheint ein bisschen aus der Zeit gefallen zu sein.
Mal zum Vergleich: Sein Album "Jump Up!" verkauft sich 1982 rund 630.000 Mal. Das mag für viele andere Künstler ein beachtlicher Erfolg sein. Aber gemessen an den 30 Millionen verkauften Exemplaren von "Goodbye Yellow Brick Road" wirkt es für Elton JohnsVerhältnisse doch eher bescheiden. Aber Elton Johnlässt sich nicht unterkriegen und sendet mit dem Song "I'm Still Standing" ein klares Signal: Ich bin noch da, immer noch erfolgreich und immer noch relevant.
Ein Lied als Kampfansage?
So wurde "I'm Still Standing" oft interpretiert. Bernie Taupin, das lyrische Genie hinter vielen von Elton Johns Werken, sieht das ähnlich: "Viele empfinden den Song als Hymne auf Eltons unerschütterlichen Überlebenswillen."
Doch in Wahrheit war die ursprüngliche Botschaft des Liedes eine andere. Es geht eher um einen symbolischen Abschiedskuss an eine vergangene Liebe. Nach dem Motto: "Mach dir keine Sorgen um mich, ich werde klarkommen."Interessanterweise stört es Bernie Taupin nicht, dass seine Zeilen anders ausgelegt wurden. “Für mich völlig okay”, erklärt er in einem Interview.
Dann gibt es da noch das Musikvideo, bei dem am Set einige wirklich unglaubliche Szenen geschahen. Hauptverantwortlich dafür: Die Jungs von Duran Duran.
Das Video wurde in Frankreich gedreht, genauer gesagt in Nizza und Cannes. Und genau dort, in Cannes traf Elton John auf Simon Le Bon, den Frontmann von Duran Duran. Die Band war damals zufällig ebenfalls in der Stadt. Die beiden verabredeten sich in der Bar von Elton Johns Hotel, wo alles relativ harmlos begann. Simon Le Bon fragte Elton John, ob er jemals einen Vodka Martini getrunken hätte. Da Elton John noch nie einen probiert hatte, bestellten sie einen. Dann noch einen, einen weiteren… vermutlich waren es insgesamt sechs, so genau weiß das niemand mehr.
In der Zwischenzeit stieß der Rest der Band dazu. Simon Le Bon gab später zu: "Wir dachten, es wäre lustig, Elton betrunken zu machen, und schenkten ihm ordentlich ein."
Aus einem harmlosen Drink entwickelte sich eine Party, bei der neben Alkohol auch Kokain im Spiel gewesen sein soll. Duran Durans Gitarrist Andy Taylor schreibt in seiner Biografie, dass er sich an fast nichts mehr erinnern kann: "Ein totales Chaos,aber eine großartige Party!"
Was die Jungs von Duran Duran nicht mehr mitbekamen, war das Drama, dass sich im Anschluss ereignete. Denn Elton John ließ sich, komplett betrunken, zum Set fahren. Dort angekommen, verlangte er, dass jetzt endlich gedreht werden sollte. Elton John selbst beschreibt den weiteren Verlauf so, als die Kameras liefen:"Ich habe all meine Kleider ausgezogen und angefangen, nackt auf dem Boden herumzurollen."
Als sein Manager John Reid dazwischen geht und versucht, Elton John zur Vernunft zu bringen, antwortet dieser mit einem Schlag ins Gesicht, derJohn Reid die Nase bricht.Damit nicht genug: Als klar wird, dass an diesem Tag keine brauchbaren Aufnahmen mehr gemacht werden können, bringt man Elton John zurück ins Hotel. Warum er dann das Hotelzimmer seines persönlichen Assistenten Bob Halley komplett verwüstet, kann er selbst am nächsten Tag nicht erklären. Schlimmer noch: Er kann sich überhaupt nicht erinnern: "Was zur Hölle ist passiert?", fragt Elton John nachdem er seinen Rausch ausgeschlafen hatte. Nach einer langen Pause antwortet sein Assistent: "Elton, du bist passiert."
Das Drama rund um den Dreh hat auf den Erfolg des Songs keinen Einfluss, denn der stürmt 1983 die Charts.Die Szenen am Set und im Hotel sind für Elton John damals noch kein Weckruf. Es dauert weitere sieben Jahre, bis er sich endgültig von Drogen und Alkohol verabschiedet und wirklich sagen kann: "I'm Still Standing"!
Jahr:1983
Länge: 3:03
Album: Too Low for Zero
Label: Geffen
